Heute wurde meine Aufmerksamkeit auf einen Sachverhalt gelenkt, der mir das Verhalten des Petrus, als er Jesus verleugnete, zu erklären half. Bisher hatte ich nämlich kein Verständnis dafür, legt man die Beziehung zwischen Jesus und Petrus zugrunde.
Petrus war von Anfang an mit Jesus unterwegs und hatte dessen Nähe, Zuwendung und Wertschätzung erfahren, wie kaum ein anderer Jünger sonst. Zum Beispiel, als er Jesus auf dem Wasser entgegengehen durfte – und gleichzeitig eine Lektion über vertrauenden Glauben erhielt. (Nachzulesen im Matthäusevangelium Kapitel 14 ab Vers 28).
Jesus hatte ihn sogar zusammen mit Jakobus und Johannes mitgenommen auf „den Berg der Verklärung“, wo die Drei teilhaben durften an einem ganz besonderen Erlebnis, das ihnen einen Blick in die himmlische Welt gewährte – sie sahen Mose und Elia und hörten die Stimme Gottes, mit der dieser die Vollmacht Jesu, die er ihm als seinem Sohn verliehen hatte, bestätigte -. Es war ein Augenblick der besonderen Intimität zwischen Vater und Sohn, dessen sie Zeugen wurden.
(Nachzulesen im Matthäusevangelium Kapitel 17 ab Vers 1).
Und dann geschieht eine Zeitlang etwas später ein Ereignis, worüber man sich als gläubiger Christ, als gläubige Christin verwundert die Augen reiben mag: Petrus verleugnet Jesus und behauptet, ihn nicht zu kennen. Ich erinnere mich noch gut an meine Empörung darüber, als ich das zum ersten Mal las, nachdem ich begonnen hatte die Bibel zu lesen. Vielleicht empfinden Sie ähnlich. Wir sind so schnell dabei uns über Verhaltensweisen und Reaktionen anderer zu empören und oft davon überzeugt, dass uns das nicht passieren würde, doch Vorsicht! Schauen wir uns mal die Umstände, die zu dieser Verleugnung (und die damit verbundene Angst) des Petrus führte, genauer an: Da heißt es in Lukas 22, 54 „Petrus aber folgte von ferne“ (zwar von ferne, aber da folgte er noch). Ab Vers 55 nimmt das Verhängnis seinen Lauf. Da lesen wir: „Da zündeten sie ein Feuer an mitten im Hof und setzten sich zusammen;“ (sie, das waren jene, die Jesus kurz zuvor in das Haus des Hohenpriesters gebracht hatten). Soweit verstehe ich noch alles, aber dann heißt es weiter: „und Petrus setzte sich mitten unter sie.“
Wie konnte ich das bis heute so dermaßen übersehen haben? Ist es doch der Schlüssel, der das weitere Verhalten von Petrus -für mich schlüssig- erklärt: Indem Petrus sich mitten unter die setzt, die Jesus überantwortet hatten, ist sein Blick auf diese Gruppe gerichtet und er verliert jeden Blick für Jesus selbst. Petrus hat die Perspektive (und damit seine bisherige Priorität) verändert. Für mich steckt da noch dieser wichtige Aspekt drin: Petrus verlor Jesus aus dem Blick und bekam es mit der Angst zu tun, denn das war ja schließlich das Motiv, weswegen er Jesus verleugnete.
Meine Empörung über Petrus‘ Verhalten weicht nun dem unangenehmen Gefühl, dass ich mich gar nicht so sehr von Petrus unterscheide. Auch ich hatte meine Momente, in denen mir der Blick auf Jesus und für Jesus abhandenkam, wo ich mich „mitten unter sie setzte“, weil mir die soziale Anerkennung plötzlich wichtiger wurde.
Welch befreiende Tatsache, dass Jesus damals dem Petrus vergeben hatte (als dieser hinausgegangen war und bitterlich weinte, weil bereute) und uns auch heute vergibt, wenn wir (manchmal auch unter Tränen) bereuen.
In der bevorstehenden Karwoche mit dem Höhepunkt Ostern wird diese Tatsache einmal mehr von uns Glaubenden dankbar gefeiert.
Herzlichst, Ihre Brigitte Seidel
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